’68 – Was ist die Geschichte hinter der Geschichte?

Demo 1968 in Hamburg.Dies ist eine Plattform der Erinnerung, der Dokumente und – so unser Ziel – der erhellenden Debatte über das, was uns vor 50 Jahren gemeinsam bewegt hat und was man heute daraus lernen könnte. Wir, ehemalige linksradikale Aktivisten – man nennt sie auch die „68er“ – haben uns in Hamburg zusammengefunden, um die Gründe für unseren damaligen begrenzten Aufstand, aber auch uns selbst zu hinterfragen. Wir wollen Informationen auch für all jene liefern, die sich noch heute oder morgen für diesen kurzen, aber die deutsche Nachkriegsgeschichte mitprägenden Zeitabschnitt interessieren. Im besten Falle bereichert unsere Website die wissenschaftliche Forschung und beeinflusst ein gerechtes Urteil darüber in der Zukunft.

Das Jahr „1968“ ist, so viel steht fest, längst zur ideologisch-politischen Chiffre geworden, über die die Ansichten schroff auseinandergehen:

Für die einen ist „68“ ein die Leistungs- und Wertegesellschaft zersetzendes Gift, das bis heute stets nur das Negative sucht und unser Land und seine herrschende (Leit-)Kultur schlecht redet.
Für die anderen ist es ein Protest, der die Köpfe befreit hat von falsch verstandenem Gehorsam, von Obrigkeitsdenken, von überholtem Rollenverständnis für Mann und Frau, für Alt und Jung. Und der unsere Nachkriegsgesellschaft transparenter und demokratischer gemacht hat.

Woher und wohin?

Woher kamen wir „68er“ und was bewegte uns? Wohin sind wir gegangen? Welche Lebenserfahrungen und Hoffnungen ließen uns einst radikal werden und eine Rebellion anzetteln? Warum empfanden wir den Geist, der in vielen Bereichen von Staat und Gesellschaft herrschte, als reaktionär oder gar als „Muff von Tausend Jahren“, den es zu vertreiben galt? Heute wissen wir, dass wir alle sehr viel ähnliche, aber auch einige sehr individuelle Motive für unsere Aktionen hatten – und ebenso für die sehr unterschiedlichen Konsequenzen aus den gemeinsamen Erfahrungen der APO-Jahre.

Unsere Methode

Auf dieser Website haben wir, damals Beteiligte der Rebellion (vorwiegend aus Hamburg und dem norddeutschen Raum) sowie Weggefährten und Historiker begonnen, eine umfassende Chronik, autobiografische Skizzen oder Reflexionen, Berichte – vor allem über die Jahre 1966 bis 1971 – zu erstellen. Dabei ist der Weg zur historischen Wertung der eigenen Geschichte für uns fast wichtiger als das Ergebnis. Denn so wie die 68er Rebellion damals ihr vages Ziel einer Umwälzung aller herrschenden Verhältnisse nicht erreichte, sondern stattdessen zerfiel in eine unüberschaubare Vielzahl von untereinander zerstrittenen Gruppen, Initiativen, Kleinparteien oder einem privatem Rückzug, ist auch die Rückbesinnung auf sie kein monolithisches Bekenntnis, sondern ein offener Prozess. Und nahezu ähnlich kontrovers. Wir wollen also einen Diskurs entfalten, der sowohl der Selbstvergewisserung wie der Reflexion dient, sowohl der Verteidigung menschlich emanzipatorischer und egalitärer Ziele wie der Kritik an eigenen Irrtümern und Sackgassen. Darüber, wo selbstkritische Hinterfragung und produktive Lehren enden und wo Rechtfertigung oder Selbstdenunziation beginnen, haben wir – wie sollte es unter Linken anders sein? – unterschiedliche Meinungen.

Für die Forschung, die heute oder morgen Aktiven und die eigenen Kinder

Unser historischer Arbeits- und Autorenkreis besteht mehrheitlich aus ehemaligen Mitgliedern des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS), der seinerzeit inhaltlich und hinsichtlich seiner öffentlichen Wirkung dominant war. Dazu kommen andere aktive Angehörige der damals so genannten Außerparlamentarischen Opposition (APO).
Wir stehen bei diesem Projekt noch am Anfang.
Es wurden Dokumente und Berichte, Presseartikel, Fotos und Filme gesammelt, um der damaligen Rebellion, ihrem Mythos, ihren Erfolgen und Fehlern aus der Sicht der einstigen Aktivisten selbst auf die Spur zu kommen.
Historiker, Journalisten, Buchautoren und Politiker haben zahlreiche Versuche unternommen, ein Urteil über die 68er zu fällen. Manches davon ist lesenswert, vieles nicht.
Diese Website ist der Beginn eines inhaltlich vielleicht widersprüchlichen, aber authentischeren Weges – zum Nutzen für Forschung und Lehre. Für die Medien. Und auch für unsere eigenen Familien und Freunde.

Herausgeber und Träger dieser Website ist der „Historische Arbeitskreis SDS/APO Hamburg 1968“. Die „Chronik“ als Schilderung der Ereignisse sowie die Sammlung der Dokumente ist das Ergebnis einer gemeinsamen Arbeit. Alle anderen Beiträge, vor allem die namentlich gezeichneten, geben lediglich die Meinung der jeweiligen Verfasser*innen und nicht unbedingt des gesamten Arbeitskreises wieder. Vorrangiger Zweck des Arbeitskreises und dieser Website ist nicht die Verkündung bestimmter Standpunkte, sondern die Analyse und die Organisierung eines Diskurses über die Wirkungsgeschichte der 68er Rebellion.